Tamara Starl-Latour erfasst in ihrer Arbeit das ganze Leben. Und betont, dass auch der Tod Teil des Lebens ist. Das Verdrängen der dunklen und furchteinflößenden Komponenten im Lebensweg jedes Menschen, meint sie, mag im gelebten Alltag verständlich und vielleicht sogar berechtigt sein – doch um einen Menschen in seiner Gesamtheit darzustellen, dürfe nicht nur der Glanz der Jugend gezeigt werden – sondern eben auch Alter, Krankheit und Tod: Kein Ying ohne Yang.
Also auch den Tod. Der Tod, der ebenso mit dem Individuum verbunden ist wie der vitale Glanz der Jugend, hat als natürlicher Teil eines Lebenslaufs im Bewusstsein der Öffentlichkeit kaum mehr Platz. Alter, Krankheit, Tod sind in der Gesellschaft negativ behaftet, unästhetisch. Ein Wegwerfprodukt, wer von ihnen befallen ist.
Diesem selbstgestellten Auftrag wird Tamara Starl-Latour nicht zuletzt durch die Abfolge und Reihung der Arbeitsschritte bis zum fertigen Gemälde gerecht. Und wie im Leben ist all das Dunkle, Furchterfüllte und Angstmachende am Ende – wenn das Portrait vollendet ist – nicht mehr zu sehen, aber eben doch da. Unter der Oberfläche. Im Inneren des Bildes: In seiner Aura und Seele - in seinem Charakter.
Denn zu Beginn ihrer Arbeit setzt sich die Künstlerin zunächst mit intuitiven, abstrakten Stimmungsentwürfen auseinander - und arbeitet sich erst dann, Schritt für Schritt, zum gegenständlich-Sichtbaren, also der Oberfläche - vor.
Tamara Starl-Latour nennt diese Technik und diesen Zugang Untermalung.
Für sie sind diese Untermalungen zentraler Bestandteil von Arbeitsprozess und Bild. Jeder Blick, jeder Arbeitsschritt lässt eine neue Interpretation und Sichtweise auf Objekt, Bild und Persönlichkeit zu – und jede Interpretation findet ihren Weg auf die Leinwand.
Und auch wenn für die Künstlerin der Weg zum fertigen Bild eine gerade, stringente Linie darstellt, ist das für den Betrachter längst nicht so offensichtlich: Denn Tamara Starl-Latours Bilder bilden das Leben ab, wie es ist. Als Kreislauf: Jeder Anfang markiert ein Ende. Und jedes Ende einen Anfang.